Informationen zum tragischen Unfall vom 23. 03. 2011 Am Mittwoch, 23. 03. 2011, wurde in meinem Zoo mein langjähriger Freund und Mitarbeiter Dirk FRÜHLING derart unglücklich von einer Schreckens- oder Schauerklapperschlange (Crotalus durissus ssp.) gebissen, dass er trotz sehr schnell funktionierender Rettungskette kurze Zeit später noch am Unglücksort verstarb. Eine vorausgehende, generelle Bemerkung dazu: Die folgenden Schilderungen sind nüchtern und sachlich abgefasst. Sie beleuchten nicht die moralische Seite dieses tragischen Unglücks - damit muss ich allein fertig werden - und das wird schwer genug. Eine zum Teil falsche und tendenziöse Berichterstattung in den Medien sowie mein innerer Drang, diesen unglücklichen Vorgang zu verarbeiten, sind die Motive für die nachfolgenden Statements. Vorgeschichte Den Verstorbenen lernte ich vor 12 Jahren als Besucher meines Zoos kennen. Aufgrund unserer gemeinsamen Passion kamen wir schnell in's Gespräch, und durch einige schnell nachfolgende Besuche hier wurden wir Freunde. Dirk war selbständig erwerbend (fachbezogen auf Reptilien) und hat seinen Lebensunterhalt mit Vorträgen an Schulen bestritten. Bei seinen mehrtägigen Aufenthalten in Kärnten hat er einige Male pro Jahr hier Station gemacht und mit grosser Freude und Begeisterung als Entgelt für Kost und Logis in meinem Zoo mitgearbeitet. Während Sommersaisonen war er auch schon monatelang als selbständig arbeitender Tierpfleger hier. Er war hier berechtigt, selbständig Terrarien zu öffnen, Insassen zu hantieren, Terrarien zu reinigen oder neu einzurichten, mit Ausnahme von Mambaterrarien (Dendroaspis spp.), damit hatte er keine Erfahrung, und den Umgang mit diesen schnellen Elapiden hat er immer abgelehnt. Er war bei jedem seiner Besuche im Besitz eines General - Schlüsselbundes - das in ihn gesetzte Vertrauen hat er immer wieder durch sehr seriöse und vorsichtigeArbeitsweise unter Beweis gestellt. Ausserdem hat er selbst an seinem Domizil völlig legal verschiedene Giftschlangen gehalten, von hauptsächlich europäischen Viperiden über Klapperschlangen (Gattung Crotalus)bis hin zu orientalischen Grossvipern (Gattung Macrovipera resp. Daboia). Umso unverständlicher ist für mich der Vorfall an diesem tragischen Abend. Hergang Der Unfall ereignete sich abends um 18:30 Uhr. Vorher hatten wir seit seiner Ankunft um ca. 16:30 Uhr im Zoo über dies und das geplaudert. Geplant war sein Aufenthalt bis Sonntag; wir wollten während seinen "schulfreien" Zeiten je nach Wetterlage entweder in's Feld zu Schlangenbeobachtungen ziehen oder gemeinsam im Zoo arbeiten. Für den Abend war wie immer ein gutes Nachtessen und ausgiebige Gespräche vorgesehen. Kurz vor dem tragischen Unfall habe ich meinen Freund um etwas Geduld gebeten, da ich noch einige Tiere im Vorhaus des Obergeschosses füttern wollte und zu diesem Zweck bereits Futterratten aufgetaut hatte. Mein Freund sass zu dieser Zeit am Tisch im Esszimmer, kam aber her zu mir, während ich erklärte, schnell in's Untergeschoss zu gehen, um die Heizung auszuschalten und Futterratten zu holen. Gleichzeitig entfernte ich in seinem Beisein von den betreffenden Terrarien die Aufschiebeschlösser. Das "Unglückstier" lag zu diesem Zeitpunkt vorn an der Frontscheibe . Dirk ging hernach ein paar Schritte zurück zum Esstisch, und ich begab mich in das Untergeschoss. Ungefähr 2 Minuten später rief er nach mir, wie ich oben bei ihm ankam, erklärte er mir gefasst und sachlich, er wäre von der Klapperschlange gebissen worden. Das Terrarium war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder geschlossen. Meine spontane Frage, warum er das Terrarium geöffnet hat, wurde von ihm auf Anhieb nicht beantwortet, er meinte - natürlich völlig zu Recht - dass wir jetzt dringendere Probleme hätten. Verlauf Vollbiss mit beiden Fängen in den Rücken der linken Hand, ca. 2 - 3 cm hinter den Knöcheln von Ring- und Mittelfinger, Opfer klagt über Schmerzen an der Bissstelle. Erste Massnahme war Reinigung der stark verbluteten Hand unter fliessendem Wasser. Auf Aufforderung des Gebissenen wurde im nächsten Raum der Venomex-Rasterapparat geholt, während er auf meine Anweisung hin die noch blutenden Bissmarken unter warmem Wasser ausmassierte. Hernach 2 "Schüsse" mit Venomex durch den Gebissenen (auslösen) unter meiner Mitfilfe (spannen und Messer einstellen, ca. 2 mm). Kurz darauf (ca. 2 - 21/2 Minuten) signifikante Sprach- und Schluckstörungen. Aufforderung an den Gebissenen, sich hinzusetzen und Lauf zum Telefon. Alarmierung der örtlichen Rettung (Johanniter Patergassen mit Notarzt Dr. Hofmeister. Während dem Telefongespräch kollabiert und stürzt der Patient, und ich bringe in aus seiner verkrümmten Stellung in eine stabile Seitenlage. 5 Minuten nach dem Alarm Ankunft der Rettung mit Notfall-Sanitäter, 1 - 2 Minuten später Notarzt. Wiederholte Versuche mit verschiedenen Notfall-Medikamenten, den Kreislauf zu stabilisieren, mit jeweils nur kurzfristigem Erfolg, da jedesmal durch zuerst wieder bessere Kreislauftätigkeit ein Anfluten der Toxine und damit neuerliche, jedes Mal ein wenig ausgeprägtere Kreislaufschwäche erfolgte. Nach Rücksprache mit Giftnotrufzentrale und unter Berücksichtigung des prekären Zustands wurde gegen eine Antiveningabe entschieden und meine bereits begonnen Anstrengungen, telefonisch weiteres Antivenin zu besorgen, beendet. Mittlerweile auch beginnende Atem- und Herzinsuiffizienz, die sich bald nach dem Eintreffen eines zweiten Notarztes (Hubschrauber RK1) , ca. 12 - 13 Minuten nach dem Alarm, zu fast völligem Versagen der Atem- und Herzfunktion steigert. Intubation und künstliche Beatmung, hernach während ca. einer Stunde (bis 19:50 Uhr) leider nicht erfolgreiche Reanimierungsmassnahmen. Die konzentrierte Gabe von Antivenin nach einer Stunde war ein letzter, verzweifelter Versuch, das Unmögliche zu schaffen - dieser Massnahme konnte beim bereits völligen Erliegen der Vitalfunktionen kein Erfolg beschieden sein. Der Todeszeitpunkt wurde mit 19:10 Uhr festgelegt. Venomex-Rasterapparat gehe zu -> Giftschlangenhaltung -> Venom-ex Rückblick Die rapid verlaufene Symptomatik und der letale Ausgang innerhalb von nur 40 Minuten ist auch für Bisse dieser durchaus sehr gefährlichen Art untypisch. Auch die prall geladenen Giftdrüsen des Tiers nach 3-monatiger Winterruhe können dies nicht erklären. Viel plausibler ist eine Giftabgabe in ein grösseres Gefäss, dafür sprechen auch die Bissstelle auf dem Handrücken, wo mehrere Venen an der Oberfläche verlaufen, und der heftige Blutaustritt kurz nach dem Biss. Giftwirkung und Behandlungsmassnahmen Crotalus durissus ssp. gehe zu -> Crotalidae -> Crotalus durissus sspp. Einen anaphylaktischen Schock, wie er bei jedem Giftschlangenbiss, ja sogar bei Bienenstichen vorkommen und in seiner schwersten Form innert Minuten zum Tod führen kann, schliesst der Notarzt mit ziemlicher Sicherheit aus. Dazu hat die neurotoxische Anfangssymptomatik nicht gepasst, und der Organismus hätte in Bezug darauf klar auf das bald und reichlich verabreichte Adrenalin reagieren müssen. Es ist daher von einer sehr schnell und heftig verlaufenen rein systemischen Symptomatik auszugehen. Kraniale Nervenlähmungen (Ptosis, Schluck- und Sprechstörungen etc.) manifestieren sich bei Bissen dieser Art in vielen Fällen in einem Zeitfenster von 30 Minuten bis 6 Stunden - weitergehende neurotoxische Wirkungen wie ausgeprägte Atemlähmung oder Lähmung der Extremitäten sind nur in Ausnahmefällen zu erwarten. Eine sofortige Antivenintherapie ist bei einem derart instabilen Patienten im Zusammenhang mit den damit zusätzlich verbundenen Risiken kontraindiziert. Antiveningaben werden denn auch nur bei längeren, ausgeprägten Gerinnungsstörungen oder als Prophylaxe gegen Nierenversagen (Rhabdomyolyse) empfohlen. Quelle: www.toxinfo.org Zurückblickend ist folgendes zu bemerken: Die Aussichten für den Gebissenen wären bei einem "normalen" Biss in's Gewebe, wie das mehrheitlich der Fall ist, durch eine sehr schnell und gut funktionierende Rettungskette und erfahrene Notärzte gut gewesen. Der erste Notarzt, Dr. Hofmeister, Patergassen, kennt die Problematik und die intensivmedizinischen Belange bei Gifttierunfällen sehr gut. Auch wäre eine Initialdosis an spezifischem Antivenin vor Ort gewesen, und weitere Mengen hätten innert nützlicher Frist (immer wieder in Bezug auf einen "normalen" Biss) beschafft werden können. Es muss davon ausgegangen werden, dass alle Umstände dieses Bisses, wie er wohl unter Tausend nur einmal vorkommt, sehr unglücklich und die Chancen für den Gebissenen, wenn überhaupt vorhanden, nur sehr minimal waren. Die Frage, warum ein ausgewiesener, zuverlässiger Giftschlangenpfleger ohne ersichtliche Veranlassung plötzlich ein besetztes Terrarium öffnet und hineingreift, wird mich wohl noch lange beschäftigen. Es gibt keine Antworten - nur Spekulationen - und solche werde ich öffentlich nicht betreiben, dafür gibt's landauf - landab "Stammtisch-Experten" genug.
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